Die Regisseurin über den Film
Zuerst war ich von der mehr als offensichtlichen Diskrepanz zwischen Fassbinders antirassistischer Haltung in seinem Film ANGST ESSEN SEELE AUF, in dem El Hedi Ben Salem spielt, und seiner dramatischen und unausgewogenen Beziehung zu Letzterem im wirklichen Leben inspiriert. Die Geschichte schien jedoch nicht nur in Bezug auf biografische und filmhistorische Entwicklungen relevant zu sein, sondern bot auch die Gelegenheit, eine dekonstruktive Biografie zu erstellen, die die Grenzen jeder biografischen Repräsentation und die Schwierigkeit widerspiegelt, die Identität eines anderen Individuums, ganz unabhängig seiner Herkunft, zu erfassen und zu definieren.
Aufgrund meines bi-nationalen Hintergrunds interessiert mich das Thema der interkulturellen Begegnung und des Austauschs, aber auch das Erzählen von Geschichten aus außereuropäischer Perspektive. Im Fall von Ben Salems Biografie ist dies eine große Herausforderung. Denn in seiner Beziehung zu der ebenso berühmten wie umstrittenen Persönlichkeit des deutschen Regisseurs Fassbinder wurde er von deutschen Quellen zu einem hilflosen Opfer stilisiert, das meiner Ansicht nach nur die Kehrseite des Bildes des bedrohlichen Fremden ist. Gleichzeitig wurde er nie einer wirklichen biografischen Untersuchung unterzogen. Das Bild von Ben Salem als Opfer (und seine ständige "Feminisierung" durch seinen Mäzen in seinen zahlreichen filmischen Auftritten) widerspricht natürlich den Realitäten seiner früheren und nachfolgenden Heterosexualität, seines ambivalenten aggressiven Verhaltens und des Scheiterns seiner eigenen Träume. So eröffnet seine Geschichte eine Reihe existenzieller Überlegungen, zum Beispiel das Verhältnis von Wunsch und Wirklichkeit, Macht und sexueller Identität, Regisseur und Darsteller, Gönner und Nutznießer, weißer und schwarzer Haut, um nur einige zu nennen. (Viola Shafik)